Siegfried der Drachentöter und der Goldschatz vom Eresberg
Text: Eduard Emmerich
Zeichnung: Heiner Imöhl
Auf der Burg zu Xanten am Rhein herrschte König Siegmund mit seiner Frau Sieglinde die ihm einen Knaben gebar, den sie Siegfried nannten. Schnell und stark wuchs er heran und erfreute seinen Vater, der in ihm schon einen zukünftigen Helden sah. Seine Mutter aber sorgte sich, denn der junge Siegfried träumte nur von Kampf und Gefahr und ließ sich kaum besänftigen. Er war am glücklichsten, wenn er sich herumtummeln und seine Kraft erproben konnte. Immer, wenn der Vater mit seinen Rittern in den Kampf zog, wurde er von Siegfried bedrängt, das er ihn begleiten wolle. Der Vater aber warnte ihn, er sei noch zu jung und müsse die Zeit abwarten. Das machte Siegfried wütend, denn er fühlte Kraft in seinen Armen und Mut in seiner Seele und er sehnte sich danach, in die Ferne zu ziehen und heldenhaft Abenteuer zu erleben. Seine Sehnsucht konnte weder durch die Strenge des Vaters noch die Bitten der Mutter gebändigt werden, und so schritt der Jüngling eines Morgens in der Frühe von der Burg hinab und zog frohen Mutes der aufgehenden Sonne entgegen. Am dritten Tag seiner Reise stieß er auf einen mächtigen Bergforst. Ohne zu zögern, marschierte Siegfried in das Dunkel des Waldes hinein. Sein Stock half ihm durch Gestrüpp und Gebüsch. Als die Sonne schon hoch am Himmel stand, sah er hoch über den Eichen eine Rauchsäule aufsteigen. Dem Rauch folgend, hörte er bald kräftige Hammerschläge aus den Tiefen einer Felsenkluft und gelangte zu einer Werkstatt, in der der Schmied Mime lebte und arbeitete, der beste Schmied der Welt. ,Das Schmiedehandwerk möchte ich wohl auch erlernen', dachte Siegfried bei sich und betrat mit diesem Wunsch die Werkstatt. Zunächst wurde er als bartloser Jüngling belächelt, doch als Siegfried den Hammer schwang, sprühten die Funken durch die Werkstatt. Meister Mime wollte noch Einhalt gebieten, aber Siegfried hämmerte mit solcher Kraft weiter, dass das Eisen zerbarst und der Amboss in den Boden fuhr. Der junge Siegfried blieb in der Schmiede und erlernte das Schmiedehandwerk. Er war mit solcher Kraft ausgestattet, dass selbst die stärkste Eisenstange seinem Schlag nicht standhalten konnte und so mancher Amboss noch im Boden versank. Diese übermenschliche Kraft ließ ihn ein unbesiegbares Schwert schmieden. Siegfried verabschiedete von Meister Mime und verließ, mit dem Schwert bewaffnet, die Schmiede. Er wollte zu den Drakenhöhlen ziehen, um sich dem Drachen Fafnir zu stellen, der dort einen reichen Schatz bewachte. Am Fuß des Eresberges angekommen, musste Siegfried erst ein fast undurchdringliches Dickicht überwinden. Dann kletterte er den steilen Berghang hinauf. Von Weiten hörte er schon das unheilvolle Brüllen des Drachen und spürte bald dessen heißen Atem. Als er die Höhle erreichte, schoss der Drache auch schon auf ihn zu. Siegfried warf sich rasch zur Seite und hieb ihm sein Wunderschwert in den als unverwundbar geltenden Leib. Blut strömte aus der tiefen Wunde. Der Drache schlug mit Kopf und Schwanz derart um sich, dass die Bäume im Umkreis brachen. Dann sank er tot zu Boden. Siegfried betrat die Drachenhöhle und fand den großen Goldschatz. Er nahm so viel Gold an sich, wie er tragen konnte. Einen großen Teil des Schatzes aber ließ Siegfried in der Höhle zurück und beauftragte Alberich, den König der Elfen und Zwerge, diesen zu bewachen. Und wann immer gerechte Menschen unverschuldet in große Not gerieten, sollten die Zwerge und Elfen ihnen jede Nacht ein Goldstück auf die Fensterbank legen, bis die Not beseitigt ist. Aber niemandem, so müssen die Zwerge und Elfen den Menschen im Schlaf zuflüstern, niemandem dürfen sie davon erzählen, sonst versiegt der Quell der Hilfe auf der Stelle.
Siegfried verließ die Höhle und machte sich auf den Heimweg nach Xanten. Die Not im Königreich war abgewendet und Siegfried wurde als Held gefeiert. Und weil von dem Tag keine Not mehr im Königreich von Sigmund und Sieglinde herrschte, liegt der Schatz bis heute in den Drakenhölen, tief im Eresberg verborgen. Viele Menschen haben sich seither daran gemacht, den Schatz zu finden. Darunter auch der Autor dieser Geschichte. Doch niemand hat bisher die Höhle mit dem Goldschatz gefunden.