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Die entführten Kinder (Clodoald)


Text: Eduard Emmerich
Zeichnung: Heiner Imöhl


Im Lande Dänemark lebte einst ein tapferer Herzog mit Namen Clodoald mit seiner wunderschönen Frau Clara und den drei Kindern Lothar, Hildegardis und Hyazinth. Ihr Schloss war direkt am Meer gelegen und hatte einem großen Park mit großen Bäumen, duftenden Blumen und viel Grünflächen, auf denen die Kinder nach Lust und Laune spielen und toben konnten. Clodoald und Clara waren bei ihrem Volk sehr beliebt, und das ganze Her​zogtum lebte in Freude und Glück.

Eines Tages kamen aber fiese Piraten über das Meer. Sie raubten die spielenden Kinder Lothar und Hildegardis, um sie für viel Geld zu verkaufen. Der Herzog war zutiefst betrübt. Er sandte seine besten und mutigsten Soldaten aus, aber auch nach vielen Jahren konnten sie keine Spur von den entführten Kindern finden. Eines Tages beschloss Clodoald, selbst nach seinen Kindern zu suchen.

Mit seinem tapferen Sohn Hyazinth machte er sich auf eine aufregende, aber auch gefährliche Reise durch fremde Länder und entfernte Königreiche. Sie durchkämmten dichte Wälder, erklommen hohe Berge und bezwangen wilde Flüsse, immer auf der Suche nach den verlorenen Kindern.

Eines Tages kamen sie in einen besonders dunklen Wald. Sie bewegten sich auf schmalen Wegen und dichter Nebel raubte ihnen die Sicht. Mit großen Mut wagten sie sich aber immer tiefer in den Wald. Sie wussten nicht, dass sie im Land der Sachsen waren und der Wald mit seinen Pflanzen und Tieren für die Bewohnern dieses Landes als Sitz der Götter verehrt wurde. Niemand durfte den Pflanzen oder Tieren in diesem Wald Schaden zufügen. So nahm das Unglück seinen Lauf, als ein stolzer Eber vor ihnen auftauchte, der für die Sachsen ein Symbol für Stärke war und besonders verehrt wurde. Aus dem Maul des Ebers wuchsen zwei mächtige Stoßzähne, mit denen er schon viele Kämpfe gewonnen hatte. Clodoald und Hyazinth befanden sich in großer Gefahr. Der Eber stürzte sich auf die beiden Abenteurer die mit letzter Kraft den Eber besiegten.

Doch die Tat blieb nicht unbemerkt, da plötzlich ein gewaltiger Sturm aufzog. Blitze erhellten die Nacht und gewaltige Donner ließen die Erde erbeben. Inmitten des gewittrigen Getöse hörten sie entfernte Schreie und Waffengeklirr. Die aufgebrachten Krieger der Sachsen kamen immer näher und riefen: „Ihr habt den heiligen Eber getötet und damit die Götter wütend gemacht. Dafür müsst ihr an der mächtigen Irminsul Buße tun!“ Die Irminsul war ein beeindruckend großer Baum, der als Ort der göttlichen Macht galt. Dort war eine große Tempelanlage errichtet worden, in der Priester und Priesterinnen über Schuld und Unschuld entschieden. Auch Clodoald und Hyazinth sollten dort gerichtet werden.

In diesem Moment geriet der ganze Eresberg in Aufruhr, denn Karl der Große erstürmte mit seinem mächtigen Frankenheer die Festung, um die Irminsul zu zerstören. Die tapferen Sachsen versuchten, die Irminsul mit allen Mitteln zu verteidigen, aber die Soldaten den Frankenkönigs waren in der Übermacht. Die Sachsen wurden besiegt und Clodoald und Hyazinth befreit. Als aber eine Priesterin und ein Priester aus der Tempelanlage kamen, erkannte der Herzog seine geliebten Kinder. Überglücklich nahm er seine Kinder Lothar und Hildagardis in die Arme. Er schämte sich seiner Freudentränen nicht, die ihm wie ein Regenschauer über die Wangen flossen. König Karl, für den seine Familie ebenfalls über alles ging, war sehr gerührt und veranlasste sofort ein Freudenfest für den Abend.

Am nächsten Morgen dankte Herzog Clodoald dem König und verließ mit seinen Kindern die Eresburg. Er wollte so schnell wie möglich wieder zurück nach Dänemark. Dort war die Freude ebenfalls riesig und es wurde im ganzen Herzogtum tagelang gefeiert. Lothar, Hildegardis und Hyazinth lebten noch lange glücklich und zufrieden mit ihren Eltern im Schloss des Herzogtums.